Mittwoch, 15. Januar 2020

Ich begann zweimal


Ich war circa 16 Jahre alt, als mir ein Bekannter von seinem Karatetraining erzählte und gleich mal ein Buch mitgab. Ich war interessiert und ging ein paar Tage später zum Probetraining. Einerseits schien mir das Training als etwas Neues, anders als die bisherigen Ballsportarten, welche ich bis dahin mit mehr oder weniger Interesse betrieb. Andererseits waren Anfang der 1990er Kampfsportfilme der große Renner, in den Videotheken gab es dafür eigene Regale und in den Kinos zeigte Jean Claude van Damme regelmäßig sein Können. Zusammen mit meinem Bruder ging ich ab dann zum Training. Eine Sporthalle im Süden der Stadt, zwei Trainer, teilweise bis zu 70 Kinder und Jugendliche. Die Grundregeln hatte man schnell verinnerlicht: Begrüßung, Verabschiedung, knien, verbeugen, Kommandos und zählen auf Japanisch, bei Verfehlungen Liegestütze oder Hockstrecksprünge. Zuhause wurden die blauen Bücher von Albrecht Pflüger gelesen, Spagat geübt und gegen die Hängelampe gekickt. Das Training bereitete Spaß, konnte aber auch gut an die jeweilige Motivation angepasst werden. War die Motivation geringer, stellte man sich in eine der hinteren Reihen, bei bis zu 70 Teilnehmern kein Problem nicht aufzufallen. War die Motivation gar nicht da, kamen das "schlechte" Wetter und die "weite" Fahrt sehr entgegen, das Training auch mal ausfallen zu lassen. Mit der Entscheidung das Abendgymnasium zu besuchen hatte sich das Thema dann erledigt, es war schlichtweg keine Zeit mehr. Knapp über zwei Jahre Training fanden ihr Ende und es war ok. Bei Umzügen wurde nicht mehr alles mitgenommen, im Laufe der Jahre verschwanden die Bücher, Urkunden und Budopass.

25 Jahre später kam meine 9jährige Tochter mit einem Infoblatt nach Hause. Der PSV Olympia trainiert in der Schulsporthalle eine neue Karatetrainingsgruppe für Kinder. Das Probetraining gefiel ihr und sie blieb. Zeitlich bedingt konnte ich nur hin und wieder mal vorbeischauen, aber es löste eine Spannung aus. Die erste Kata, Taikyoko Shodan, kannte ich noch auswendig, ein paar japanische Begriffe und Zahlen waren schnell entschlüsselt. Es kribbelte. Der Trainer wurde inzwischen schon auf eine Erwachsenentrainingsgruppe angesprochen, eine Weile später war es dann soweit: eine Erwachsenengruppe wurde eröffnet. Von nun an trafen sich fünf bis sieben Erwachsene (fast alle Elternteile aus der Kindergruppe) am späteren Donnerstagnachmittag zum Training. Und es machte von Anfang an Spaß! Zwar fehlten nach 25 Jahren Sportabstinenz die Beweglichkeit, Dehnung, Koordination und Ausdauer, aber egal. Ein einfacher Karateanzug (Gi) wurde gekauft und schon war man wieder dabei, und das mehr als zuvor. Mittlerweile ist unsere Trainingsgruppe etwas angewachsen. Das Training findet inzwischen 2x pro Woche statt und bis zu 19 Personen kommen mittlerweile, der größere Teil davon regelmäßig. In unserer Familie trainieren inzwischen meine beiden Kinder und ich und Karate ist ein nicht unwichtiger Punkt in der Wochen- und Wochenendplanung geworden.

Habe ich als Jugendlicher das Training als reinen Freizeitsport angesehen, ist es heute in kurzer Zeit ein wichtiger Teil meines Lebens geworden. Ich lasse eigentlich kein Training ausfallen, es sei denn dass es krankheitsbedingt mehr schadet als nutzt. Und auch dass ist jedes Mal ein inneres hin und her, ob es nicht vielleicht doch geht. Zum Training gehören Schweiß und blaue Flecken, der Gi (Karateanzug) wird gepflegt und in bestimmter Weise zusammengelegt, der Obi (Gürtel) wird korrekt gebunden, Lehrgänge fließen in die Wochenendplanung mit ein. Literatur rund um das Thema Karate füllt nach und nach das Regal.

Ich bin erst am Anfang. Wohin mich dieser Weg führt, weiß ich noch nicht. Aber ich hoffe recht weit, ich habe ich Lust darauf...

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